VERPACKEN-AKTUELL

Informationen aus der Verpackungsbranche

DVI Workshop zeigt interessante Potenziale auf

Printed Electronics und die Massentauglichkeit von Smart Packaging

25. November 2013, von Susanna Stock

Lippenstifte mit integrierten LED-Leuchten.

Quelle: Rox Asia Ltd.

In den Räumlichkeiten der Fraunhofer-Einrichtung für Modulare Festkörper-Technologien (EMFT) veranstaltete die Verpackungsakademie (DVI) gemeinsam mit Tilisco im Oktober einen Workshop rund um die Frage „Sind Printed Electronics eine massentaugliche Lösung für das veränderte Shopperverhalten?“.

Damit waren die Veranstalter rein thematisch in diesem Herbst nicht allein unterwegs (auch während der FachPack in Nürnberg fand dazu ein Kongress statt und die interpack 2014 hat sich ebenfalls einiges vorgenommen zu dem Thema). Von verschiedensten Seiten sind Vorstöße zu dem per Definition nicht ganz eindeutig zu fassenden Thema Smart Packaging zu beobachten. Die Verpackungsakademie konnte mit knapp 30 Teilnehmern mehr als nur einen Achtungserfolg erzielen: Die eher kleine und sehr vielschichtig besetzte Runde aus Markenartikel-, Verpackungsherstellern, Handel und Forschung verstand es vom ersten Vortrag an, die Gelegenheit zu intensiver Diskussion zu nutzen. Und so stellte sich Dr. Jens Rothenstein, E-Commerce-Center Köln, nach seinem Beitrag „Stationär, online, mobile – Wie sich das Informations- und Kaufverhalten der Konsumenten verändert“ auch gleich diversen Fragen nach den aktuell erkennbaren Verhaltensänderungen. Verschiebungen hin zum online-Einkauf, zu Bestellungen per Smartphone sind gerade in der jüngeren Käuferschicht eindeutig belegbar. Doch variiert dies noch sehr je nach Produktkategorie.

Heinz Ketchup setzt auf einen blippar-Code; über eine Bilderkennung (Form des Logos) wird der interessierte Konsument auf dem Smartphone mit Zusatzinfos versorgt.

Quelle: Heinz/T.Isensee

35 % des stationären Handelsumsatzes werden nach Ausführung des Referenten heute schon online vom Verbraucher vorbereitet. Die Informationsbeschaffung und Orientierung im Angebotsdschungel über mobile E-Geräte, der reale Kauf von Waren oder Dienstleistungen ist vom stationären Handel nicht abgekoppelt. Dennoch: Um auf allen Distributionsschienen optimal aufgestellt zu sein, sind eine stärkere Vernetzung der Kanäle und die eindeutige und wiedererkennbare Positionierung der Anbieter/der Marken essentiell. Der immer besser informierte Konsument nutzt seine Entscheidungsfreiheit, wie er wann und wo shoppt sehr souverän. Verpackungen oder auch P.O.S.-Systeme, die dieses Informationsbedürfnis intelligent zu befriedigen wissen, stiften dem smarten Verbraucher mehr Nutzen – zum Wohl der Marke, die so treue Kunden und entsprechenden Umsatz gewinnt.

Im Vorfeld des Workshops hatten die Professoren Dipl.- Ing. Junge und Dr. Ing. Sabotka von der Beuth Hochschule für Technik Berlin die Aufgabe, für das weite Feld des Smart Packaging eine Definition zu entwickeln, die dann in München präsentiert wurde.

Quelle: Beuth Hochschule für Technik Berlin

Quelle: Beuth Hochschule für Technik Berlin

Die sperrige und vom Auditorium mit wenig Gegenliebe aufgenommene Definition wurde intensiv diskutiert. Mit dem letztlich übereinstimmenden Fazit: Für eine intensivere Nutzung und Marktfähigkeit einzelner Smart Packaging-Lösungen ist der Gedankenansatz aus Berlin eher kontraproduktiv. Spätestens nach T. Isensee´s (Tilisco) Vortrag, der einen Überblick über aktuell bereits im Markt befindliche Projekte zeigte, wurde klar: Es gibt sehr unterschiedliche Beweggründe für einen Markenartikler und Produkthersteller, Verpackungen um definierte Features aus dem Baukasten des Smart Packaging zu erweitern.

Heineken zeigt im internet ein Video von Flaschen, die zum Sound in einer Discothek rhytmisch aufblinken.

Quelle: Heineken

Die in einer sechsmonatigen Recherche von T. Isensee zusammengetragenen Projekte aus aller Welt zeigen, dass es auch nicht um die isolierte Betrachtung einer (Verkaufs-) Verpackung geht, vielmehr steht die ganzheitliche Präsentation der Produkte an den unterschiedlichen P.O.S.-Varianten im Vordergrund. Dank bereits verfügbarer Technik sind Illumination (z. Bsp. mit LED), Animationen, Sound oder der Einsatz von Farbdisplays und Bildschirmen in P.O.S.-Elemente längst realisierbar.

Die Zukunft aber bietet dank gedruckter Solarzellen, Batterien, Lautsprecher oder Sensoren für Temperatur oder Luftfeuchtigkeit sowie Photosensoren oder anorganisch/biochemische Sensoren völlig neue Möglichkeiten, Mehrwerte in Verpackungen zu integrieren. T. Isensee rundete seine Präsentation mit Beispielen für aktive Verpackungen, die er bewusst thematisch abgrenzte ab. Sauerstoffabsorber oder feuchtigkeitsregulierende Perforationen sind nicht neu, Aufgaben, die den Originalitätsschutz eines Produktes/einer Verpackung verdeutlichen, sind ebenfalls schon vielfältig im Markt.

In dieser Kosmetikschatulle ist eine Softwareverbindung zu einer App verborgen: Damit erhalten Interessierte Schminktips und mehr.

Quelle: T. Isensee

Haltbarkeitsanzeigen dagegen (z. Bsp. durch Farbumschlag) sind immer noch ein heikles Thema. Soll die Unterbrechung der Kühlkette bei einschlägigen Produkten bewusst angezeigt werden? Wie erreicht man es, dass dies nicht zur Verunsicherung der Konsumenten führt? Letztlich ist der Käufer gezwungen, schon im Supermarkt die Kühlkette selbst zu durchbrechen. Der Einzelhandel zeigt sich wenig begeistert von den bislang diskutierten Ansätzen, da sie mehr Fragen aufwerfen als sie zur Qualitätsverbesserung beitragen können.

Schon die bisher aufgegriffenen Beispiele zeigen, dass das Interesse an sogenannten Smart Packaging-Lösungen sehr stark Marketing-getrieben sind. Vielfach wird nach neuen Möglichkeiten gesucht, die Aufmerksamkeit des Konsumenten auf ungewöhnliche Art zu fesseln, seine Neugier anders zu wecken und letztlich das Image der Marke mit modernen Mitteln zu festigen/auszubauen.

Der Vortrag von Christian Rommel, Rox Asia Ltd., Hersteller von Smart Packaging-Lösungen, untermauert diese Erkenntnis weiter. An zahlreichen Beispielen zeigte er auf, dass zukunftsorientierte Unternehmen schon längst die verschiedenen Spielarten der Verpackungs- oder Displayaufwertung für sich nutzen. Doch gedruckte Elektronik spielt dabei noch so gut wie keine Rolle, denn, so Chr. Rommel: „Die Ergebnisse der Grundlagenforschung, die bisher nur Insellösungen hervorgebracht haben, müssen zu praxisorientierten Integrallösungen zusammengeführt werden. Die Industrie muß aktiv werden und darf nicht auf die Wissenschaft warten.“

Vielfach preisgekrönt: Die blinkende Verkaufsverpackung für den Gin Bombay Sapphire, hergestellt von K. Knauer in Zusammenarbeit mit Rox Asia Ltd.

Quelle: Bacardi/Rox Asia Ltd.

Die vielfach ausgezeichnete und weltweit beachtete Kartonverpackung für Bombay Sapphire, die die Elektrolumineszenz-Technologie einsetzt, um die Schachtel erleuchten zu lassen, entstand bei Rox Asia Ltd. in Zusammenarbeit mit Knauer.

In einem aufgezeichneten Interview mit der Marketingabteilung von Markeninhaber Bacardi erfuhr das Auditorium weitere Details zu diesem sehr erfolgreichen Projekt. Die ausschließlich über Duty-Free-Abteilungen distribuierte Angebotsform des Gin in der berühmten blauen Flasche (50.000 wurden in der Sonderverpackung hergestellt) hat reißenden Absatz gefunden, wie Beate Sifkovits, Bacardi Global Travel Retail Division (Gin & Whisky) ausführte. Das Zusammenspiel der Marketingstrategen mit den Verpackungsexperten hat erfreulich gut funktioniert und die Entstehung dieser ungewöhnlichen Präsentationsverpackung ermöglicht. Auf Kosten und Nutzen angesprochen versichert das Bacardi-Marketing, dass sich der Preis dank des großen Verkaufserfolges wie auch des Imagegewinns absolut rechtfertigt. Über weitere Projekte denkt der Hersteller nach, aber: Es muss immer zum Markenimage passen.

Mit Spannung erwartet wurde der Vortrag von Gastgeber Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Karlheinz Bock, Fraunhofer EMFT, der Einblicke gab in die „Flexible Elektronik für Funktionale Verpackung“. Das Institut beschäftigt sich seit Jahren mit der Erforschung gedruckter Elektronik und hat sehr viele Erkenntnisse gewonnen, die es in Kooperation mit der Industrie nun in die Praxis umzusetzen gilt. Den Vortrag von Prof. Bock wird www.verpacken-aktuell.de an eigener Stelle separat veröffentlichen. Ein wesentliches Chart aus seinem Beitrag sei aber schon hier eingefügt, denn es zeigt die Potenziale auf, die funktionale Verpackungen heben können:

Quelle: Fraunhofer EMFT

Stefan Spies, Inhaber der Agentur TMC in Frankfurt, erläuterte aus der Sicht einer Markenagentur, welche Erwartungshaltung an Smart Packaging zu stellen ist. Er sieht das Thema als Chance: „Smart Packaging eröffnet die Möglichkeit, Marken und Menschen auf ganz neue Weisen zu verbinden.“ Und das Verbinden von Marken und Menschen sieht er als absolute Aufgabenpriorität der Markenführung. Daher setzt auch er Hoffnung auf die neuen Technologien, die es erlauben werden, die Interaktion zu optimieren und die Individualisierung von Botschaften voranzutreiben.

Der Vortrag „Vertriebserfolge am POS maximieren – die Marke stärken“ von Jens Wünderlich, Engram, eröffnete noch einmal ein weiteres Themenfenster im großen Gesamtthema Smart Packaging. Das Unternehmen hat sich auf Softwareentwicklungen konzentriert, die helfen, Kunden individuell anzusprechen, auf verschiedenen Kanälen und mit intelligenten Lösungen. Das Geschäftsmodell geht davon aus, dass Unternehmen zukünftig nur mit komfortablen Kampagnen-Management-Systemen den Erfolg von Marketingaktivitäten etc. realistisch bewerten können.

Die Verknüpfung digitaler Kampagnen am P.O.S. mit modernen Kommunikationsmöglichkeiten, eingebettet in ein umfassendes Kampagnen-Management hält J. Wünderlich, Engram, für einzig zielführend.

Quelle: Engram

Mit Engram-Software können ereignisgesteuerte Kampagnen realisiert oder Interaktion, Feedback und Kontaktgenerierung optimiert werden. Am Beispiel eines Display für neue Oral-B-Produkte verdeutlichte J. Wünderlich, dass Interaktion zwischen Produkt und Video zukünftig auch mit Zielgruppenerkennung möglich ist. Die Einblendung von Zusatzinformationen, ausgelöst durch Verpackungen bzw. QR-Codes oder RFID-Chips, sind weitere elementare Features, die sowohl in der Logistik als auch beim direkten Shopperkontakt ihre Wirkung entfalten.

Für die Braun-Marke Oral B entstanden verschiedene interaktive Displays, die den Shoppern aufzeigen, welches Zahnputzsystem für sie individuell am bestehen geeignet ist.

Quelle: Engram

Die Auswertung von Kampagnen schließlich, die alle verfügbaren Schnittstellen berücksichtigt, und damit zu präzisen Aussagen von Erfolg oder Mißerfolg erlauben, rundeten den Vortrag von J. Wünderlich ab. Seine Aufforderung an die Industrie lautet: „Verknüpfen Sie intelligente digitale Kampagnen am POS mit modernen Kommunikationsmöglichkeiten. Sie sprechen ihre Zielgruppen gezielter an, sammeln wertvolle Daten, emotionalisieren ihre Marke, und binden Kunden.“

Mit seinem letzten Beitrag ging Till Isensee schließlich noch auf die rechtlichen Rahmenbedingungen beim Einsatz elektronischer Elemente in Verpackungen ein. Alle Interessierten, die sich mit der Möglichkeit von Smart Packaging-Lösungen auseinandersetzen, sollten prüfen, inwieweit Gesetze und Verordnungen auf die jeweilige „Smart Packaging“ anwendbar sind: Dies gilt insbesondere für alle Verpackungen bei denen Strom fließt.

DVI, Fraunhofer EMFT und Ko-Veranstalter Till Isensee ziehen ein positives Fazit der Veranstaltung:

Till Isensee, Tilisco, Co-Veranstalter des Workshops.

Quelle: Tilisco

„Der Workshop hat gezeigt, dass es sehr unterschiedliche Vorstellungen von „smarten“ Verpackungen gibt. Die Interessenslage variiert ebenso stark. Wir sind sehr froh, dass heute Vertreter der Markenartikelindustrie, von Handel und Verpackungsbranche sowie der Forschungsseite intensiv miteinander diskutiert haben – das hat alle Teilnehmer befruchtet.

Markenartikelhersteller mit gewohnt großen Marketing-Etats und langjährigen professionellen Kooperationspartnern auf Seiten der Agenturen, der Kreativen und der Lieferanten sind aufgeschlossener für neue Ideen. Aber sie sind nicht allein. Die Erwartungshaltung an die Versprechungen der Smart Packaging-Lösungen sind grundsätzlich sehr hoch – die Angst vor der Realisierbarkeit jedoch ist es oft auch. Noch sind nicht genügend Netzwerk-Partner wirklich miteinander im Gespräch, um den großen Durchbruch zu schaffen. Doch das wäre eine wichtige Voraussetzung, um a) die technischen Möglichkeiten an die Praxis anzupassen und b) ein Kostengefüge erzeugen zu können, das den Einsatz von Smart Packaging wesentlich attraktiver macht. Die Teilnehmer des Workshops haben uns durch ihre Diskussionsbeiträge deutlich gemacht, wie groß das Interesse ist, welche Hemmschuhe die interessierten Anbieter allerdings auch noch beseitigen müssen.“

(st)

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