Konformitätserklärungen und Plastic Implementation Measure
Auf Kunststoffverpackungen kommt viel zu
In Lebensmittelkontakt stehende Kunststoffverpackungen sehen sich schon heute einer Vielzahl von Regelungen gegenüber. Die sogenannten Food Contact Materials (FCM) haben seit langem die Aufmerksamkeit der Europäischen Union geweckt. Und auch aktuell unterliegen etliche gesetzliche Bestimmungen der Veränderung. Eine zweitätige Konferenz, veranstaltet von Innoform Coaching, dem österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik (Ofi) und dem Schweizer SVI, setzte sich mit diesem Thema auseinander.
In seinem Einführungsvortrag erläuterte MinR Dr. H. Dietmar Österreicher, Referent im Bundesministerium für Gesundheit (A-Wien) die Grundlagen und Begriffe europäischen Rechts. Demnach liegen die strategischen Schwerpunkte im EU-Lebensmittelrecht auf folgenden zehn Punkten:
- Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit (Jan. 2000)/VO (EG) Nr. 178/2002
- Umsetzung eines integrierten Konzepts (vom Erzeuger bis zum Verbraucher)
- Einbeziehung sämtlicher Sektoren der Lebensmittelkette (MIKP)
- Ausbau des Systems wissenschaftlicher Gutachten (EFSA)
- Überarbeitung der bisherigen Rechtsvorschriften, Ausgestaltung zu einem kohärenten und transparenten Regelwerk
- Verschärfung der Kontrollen vom Erzeuger bis zum Verbraucher
- Durchsetzung des Prinzips, dem zufolge für die Sicherheit von Lebensmitteln an erster Stelle die Akteure (Unternehmer) der Futter- und Lebensmittelwirtschaft Verantwortung tragen
- Für deren Überwachung und Kontrolle Mitgliedsstaaten zuständig sind
- Aufgabe der Europäischen Kommission ist, anhand von Audits und Kontrollen zu prüfen, inwiefern die Mitgliedsstaaten ihrer Aufsichtspflicht nachkommen
- Sicherstellung eines hohen Niveaus des Gesundheits- und Verbraucherschutzes im Sinne einer vorausschauenden neuen Lebensmittelpolitik.
Detaillierte Regelungen finden sich in der EU-Verordnung 1935/2004, die Rahmenrichtlinien für Lebensmittelkontaktmaterialien, sowie die EU-Verordnung 2023/2006, die die Anforderungen an gute Herstellerpraxis (GMP) beschreibt.
Diese Regeln bzw. Verordnungen gelten für alle FCM, auch wenn sie nicht wörtlich aufgeführt sein sollten. Ungeregelte Bereiche gibt es demnach nicht. Daraus folgt: Jeder Akteur innerhalb der Lieferkette sollte für jeden Packstoff mit Konformitätserklärungen(* siehe Kasten) belegen können, dass alle Vorgaben erfüllt werden. Denn: Die rechtlichen Vorgaben dienen vorrangig dem Verbraucherschutz, nicht dem Industrieschutz. Dieses Zitat ist Dr. Rainer Brandsch, Innoform Consulting GmbH, zuzuschreiben, der in seinem Vortrag die neuen Vorgaben aus der EU im Jahr 2010 vorstellte.
Quelle: Dr. Rainer Brandsch, Innoform Consulting GmbH
Die grundsätzlichen Anforderungen an Verpackungen lauten Schutz des Füllgutes (vor Kontamination, vor Verlust wertbestimmender Bestandteile und vor mechanischer Beschädigung) sowie Ermöglichung der Distribution, Convenience, Kommunikation und schließlich die lebensmittelrechtlichen Anforderungen. Aus alle dem entsteht ein System aus Füllgut und Verpackung.
Neue Verpackungskonzepte erobern die Märkte: komplexe Packstoffe aus entweder mehreren Materialien oder aus mehreren Lagen verschiedener Packstoffe, zumeist Kunststoffen.
Kundenfreundliche Verpackungen, die leicht zu öffnen oder wiederverschließen sind, nehmen ebenso zu wie aktive oder intelligente Verpackungen (diese sind zum Beispiel antimikrobiell ausgestattet oder sie können Sauerstoff absorbieren) und letztlich finden auch biologisch abbaubare Kunststoffe immer mehr Anwendungsbereiche.
Für die verschiedenen Materialien gelten unterschiedliche Regelwerke, das Chart zeigt eine Übersicht der derzeit gültigen Richtlinien und Verordnungen. Relativ neu sind dabei die folgenden:
- Verordnung (VO) EC 2023/2006 (GMP)
- Richtlinie 2007/19/EC (4. Änderungsrichtlinie zur Kunststoffrichtlinie 2002/72/EC und 1. Änderungsrichtlinie zur Richtlinie 85/572/EEC)
- Richtlinie 2007/42/EC (Zellglasfolie)
- VO EC 372/2007 6 EC 597/2008 (Weichmacher in Deckeldichtungen)
Richtlinie 2008/39/EC (5. Änderungsrichtlinie zur Kunststoffrichtlinie 2002/72/EC)
- VO EC 282/2008 (Kunststoff-Recyclate/1. Änderung der VO EC 2023/2006)
- VO EC 450/2009 (aktive & intelligente Verpackungen)
- VO EC 975/2009 (6. ÄnderungsVO zur Kunststoffrichtlinie 2002/72/EC).
Um ein Beispiel zu geben, was diese neuen Richtlinien oder VO bedeuten:
In der 4. Änderungsrichtlinie zu 2002/72/EC, genannt 2007/19/EC werden Vorgaben benannt, die nur für Kunststoffschichten und Beschichtungen für Deckeldichtungen gelten, Ausnahmen für Polymerisationshilfsmittel (PPA) sind genannt. Sie beinhaltet die Einführung des funktionellen Barriere-Konzepts und eine Exposition zur Einführung des Fettreduktionsfaktors (FRF-Konzept). Gefordert werden detaillierte Konformitätserklärungen und es ist eine Aktualisierung der Listen für zulässige Monomore und Additive beinhaltet.
Sicherheit für Verbraucher heißt: GMP einhalten
Als Fazit der Vorträge kann festgehalten werden: Sichere Lebensmittelverpackungen (aus Kunststoff) werden am besten nach den GMP-Regeln gefertigt - und zwar mit allen Konsequenzen. Denn alle anderen rechtlichen Rahmenverordnungen etc. sind nur eingeschränkt umsetzbar oder hilfreich oder eindeutig.
Um korrekte Konformitätserklärungen zu erstellen, müssen diverse Prüfungen vorgenommen werden, die die Aussagen über die jeweilige Kunststoffverpackung stützen. Auch zu den Prüfbedingungen und Simulantien gibt es teilweise Neuerungen.
Die zu erwartende Plastic Implementation Measure (PIM) wird die 2002/72 und ihre sechs Änderungen in Zukunft zusammenfassen, um das EU-Kunststoffrecht einheitlicher zu regeln. Bestandteil der PIM werden sein: das Konzept der funktionalen Barrieren und eine starke Gewichtung der spezifischen Migration. Die Globalmigration wird ihre heutige Bedeutung einbüßen.
Die gut 30jährige Entstehungsgeschichte der Richtlinie 2002/72 hat dazu geführt, dass Kunststoffe schon besonders exakt und im Detail geregelt sind. Die entstandenen Positivlisten für Additive und Monomere, Grenzwerte für einzelne Substanzen und Angaben zum Umfang der Konformitätserklärungen sind Beleg dafür. Das sieht bei anderen Packstoffen (wie Papier oder Metallen) heute noch ganz anders aus.
Lebensmittelhersteller, das war eine klare Erkenntnis der Tagung, sind verantwortlich für die von ihnen eingesetzten FCM, sie müssen nachweisen, dass die Verpackungen gültigem Recht entsprechen. Doch dieses gültige Recht ist stellenweise nach wie vor lückenhaft und dabei dennoch schon sehr unübersichtlich. Das macht Konformitätserklärungen nicht einfacher. Ohne ausreichende Transparenz in der gesamten Lieferkette ist es wahrlich kein einfaches Unterfangen. Alle Teilnehmer der Veranstaltung stimmten in der Bewertung überein, dass auf den unterschiedlichen Ebenen der Lieferkette noch Optimierungsbedarf herrscht.
Die große Herausforderung für die gesamte Lieferkette heißt also Konformitätsprüfung, dahinter steht sehr viel Aufwand. Weil die spezifische Migrationsprüfung in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt ist, die das abprüfen" von allen Stoffen mit Grenzwerten in den unterschiedlichsten Packstoffvarianten beinhaltet, stellen diese Aufgaben den Verpackungshersteller vor ökonomische Probleme. Die Kosten, besonders bei kleinen Losgrößen, stehen nicht im Verhältnis zu den erzielbaren Gewinnmargen. Entsprechend sind Strategien zu entwickeln, die unter Berücksichtigung der Risiken zu einem Maximum an Rechtsicherheit und einem Minimum an Prüfaufwand führen. Der Einsatz von Migration Modelling ermöglicht es, anwendungsnahe Migrationsszenarien auszuarbeiten, Risiken abzuschätzen und den Prüfaufwand zu minimieren.
Konformitätserklärungen laut § 16 der FCM-RahmenVO (EG) 1935/2004:
- Verbindliche schriftliche Erklärung
- Hersteller/Importeur verantwortlich
- Unterlagen sind bereitzuhalten
- Bei wesentlichen Veränderungen erneuern
- Auf konkrete (rechtliche) Maßnahmen beziehen
- Vertraulichkeit berücksichtigen
- Zusätzliche Angaben bei funktionaler Barriere einer Verpackungslösung
- Bei Stoffen mit geltenden Beschränkungen im LM: spezifische Migrationsdaten.
Konformitätsarbeit, so eine Stellungnahme des ALS (Arbeitskreis Lebensmittel-Sachverständiger): Darunter wird .die Beachtung sämtlicher Aspekte im Rahmen der Herstellung und Verarbeitung von Lebensmittelkontaktmaterialien verstanden, die Einfluss auf die Beschaffenheit und Eigenschaften des Endproduktes hinsichtlich der Einhaltung der Anforderungen des Artikels 3 Abs. 1a)-c) der Rahmen-VO haben.
Offene Aspekte der Konformitätsarbeit können an die nächste Stufe der Prozesskette oder den Kunden delegiert werden. Voraussetzung ist die Benennung der zu leistenden Arbeiten und die Weitergabe der dafür notwendigen Informationen.
Unter folgendem Link können weitere Informationen über den aktuellen Stand der Verordnungen und Richtlinien eingesehen werden:
http://ec.europa.eu/food/food/chemicalsafety/foodcontact/documents_en.htm
(st)