Japans Kunststoffbranche sucht nach Wachstumsimpulsen
Japans Kunststoffindustrie ist dabei, die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise zu überwinden. In den ersten vier Monaten 2010 verkauften die heimischen Produzenten insgesamt etwas über 4 Mio. t Kunststoffe. Gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum war dies ein Plus von 28,9 %. Im Segment der Standardkunststoffe stieg der Absatz von Polypropylen um 31,7 %, der von Polyethylen um 18,9 % und der von PVC um 12,5 %.
Bei technischen Kunststoffen verläuft die Erholung noch schneller. Der Absatz etwa von Polycarbonat (PC) erhöhte sich um 40,8 %. Polyacetal (POM) legte sogar um fast 137 % zu. In allen Fällen gilt aber, dass trotz der teilweise sehr kräftigen Zuwächse die Vorkrisenergebnisse bislang noch nicht wieder erreicht wurden. Die weiteren Aussichten für 2010 sind zumindest in Teilen der Kunststoffindustrie nicht schlecht. Denn die Geschäfte der wichtigen Abnehmer von Kunststoffen wie die Kfz-Industrie oder die Elektro- und Elektronikbranche laufen nach einem partiell katastrophalen Jahr 2009 wieder deutlich besser. In der Automobilindustrie wirkt nicht mehr nur der Absatz umweltfreundlicher Pkw als Stütze, der im Rahmen von Konjunkturprogrammen mit Subventionen und Steuererleichterungen gefördert wurde, sondern auch der Verkauf herkömmlicher Fahrzeuge zieht kräftig an. Ferner ist in der Elektroindustrie inzwischen wieder einige Bewegung beispielsweise bei Halbleitern und Flachbildschirmen erkennbar.
Allerdings gibt es nach Meinung von gtai auch weiterhin eine Reihe von Problemen. In der Bauwirtschaft könnte es 2010 im privaten Wohnungsbau im Vergleich zu den Vorjahren zwar wieder etwas freundlicher aussehen. Jedoch sind insbesondere von den öffentlichen Infrastrukturprogrammen aufgrund knapper öffentlicher Haushalte und politischer Vorgaben keine wesentlichen Anstöße zu erwarten. Für die Kunststoffverarbeitung nennt die Fachzeitung "Chemical Daily" den harten Preiswettbewerb der Endverbraucher als größte Schwierigkeit. Diese Konkurrenz verhindere, Preissteigerungen bei Kunststoffmaterialien an die Endkunden weiterzugeben. Als ein Beispiel führt die Zeitung die Verpackungsbranche für Nahrungsmittel an, die schon länger unter scharfem Kostensenkungsdruck stehe. Das Problem sei aber auch in der Kfz- und Konsumelektronikindustrie erkennbar, deren Hersteller sich derzeit vor allem auf die rasch wachsenden, aber im Vergleich zu Japan sehr viel billigeren Märkte der Schwellenländer konzentrierten.
Angesichts der Unsicherheiten der Marktentwicklung ist das Aufspüren neuer Wachstumsfelder zur Zukunftssicherung essentiell. Allgemein dürften Massenkunststoffe an Bedeutung verlieren und Erzeugnisse mit höherem Wertschöpfungsgrad immer wichtiger werden. Als Anwendungsfelder gelten unter anderem Lithium-Ionen-Batterien für Hybrid- und Elektroautos, gewichtsparende Werkstoffe für die Automobilindustrie, Biokunststoffe, organische Solarzellen, Flüssigkristallbildschirme sowie Membranen für die Wasseraufbereitung. In der Kfz-Industrie sind die Elektromobilität und Umweltfreundlichkeit zentrale Themen. Um der voraussichtlich stark steigenden Nachfrage nach Batterien für Hybrid- und Elektroautos begegnen zu können, will deshalb Lithium Energy Japan bis Anfang 2012 in Ritto eine Fabrik zur Produktion von jährlich 4,4 Mio. Lithium-Ionen-Zellen für 50.000 i-MiEV-Elektroautos bauen. Die Investitionen des Gemeinschaftsunternehmens von GS Yuasa, Mitsubishi Corp. und Mitsubishi Motors belaufen sich auf 37,5 Mrd. Yen (rund 287,8 Mio. Euro; 1 Euro = rund 130,3 Yen - Jahresdurchschnitt 2009). Zahlreiche Aktivitäten gibt es ferner bei der Entwicklung von Kunststoffen, die Gewicht und Energieverbrauch der Fahrzeuge einsparen helfen: kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen (CFK) wird in diesem Zusammenhang viel Aufmerksamkeit geschenkt.
Generell sind die Aussichten für CFK nach einem starken Nachfrageeinbruch 2009 wieder deutlich besser. Für 2010 sagt Toray Industries weltweit einen Bedarf von 29.000 t voraus; dies wären rund 16 % mehr als im Vorjahr. Getrieben wird das Wachstum von einer guten Nachfrage der Sportartikelbranche, daneben aber auch von der Kfz- und der Luftfahrtindustrie. Biokunststoffe sind ein anderes neues Feld, dem auch die Automobilindustrie große Aufmerksamkeit schenkt. Die Absichtserklärungen sind ehrgeizig: zum Beispiel gab Toyota bereits Mitte Oktober 2008 bekannt, bis 2015 etwa 20 % der im Auto eingesetzten Polymere durch Biokunststoffe ersetzen zu wollen. Inwieweit dieses Ziel erreichbar ist, wird nicht zuletzt von der Preisentwicklung der Werkstoffe abhängen. Mitsubishi Motors etwa hat nach einem Bericht der "Chemical Daily" für Auto-Sitzkissen Polyurethan aus Polyolen entwickelt, deren Basis Rizinusöl ist. Allerdings seien die Produktionskosten derzeit noch höher als bei Polyolen auf der Basis von Mineralöl. Deshalb werde das "Bio-Polyurethan" bislang noch nicht eingesetzt. Mitsubishi Chemical Holdings baut sein Geschäft mit Biopolymeren aus. Derzeit produziert das Unternehmen in seinem Werk Yokkaichi pro Jahr etwa 3.000 t biologisch abbaubaren Kunststoff für den Einsatz unter anderem als Verpackungsmaterial. Die Jahreskapazität der Anlage soll bis 2015 auf 20.000 t ausgebaut werden. Ferner stellt die Firma in Kurosaki in einer Pilotanlage jährlich 300 t "Bio"-PC her. Es soll in LED-Leuchten und in Touchscreens verwendet werden.
Vor dem Hintergrund der internationalen Konkurrenz und des Überangebots bei vielen Kunststoffen stehen Japans Kunststoffproduzenten unter großem Konsolidierungsdruck. Notwendig seien neue Unternehmensallianzen und eine Anpassung der Produktionskapazitäten, schreibt die "Chemical Daily". Im Sinne dieser Forderung will Mitsubishi Chemical Holdings zum 1. April kommenden Jahres seine Ethylen-Produktion mit der von Asahi Kasei verschmelzen und bis 2012 um 30 % verringern. Außerdem will die Holding bis März 2011 unprofitable Bereiche wie etwa die Inlandsproduktion von PVC schließen und die Produktpalette auf besonders vielversprechende Segmente wie Lithium-Ionen-Batterien oder Biokunststoffe umstellen.