Bericht Tagung Renewable Plastics 2010
Bioabbaubar muss die Verpackung (noch) nicht sein
Quelle: Coca-Cola UK
Und die sieht gut aus, wie man den einzelnen Referaten entnehmen konnte. So konnte Jim Lunt, Chief Marketing Officer bei Tianan Biologic Materials Co. Ltd. in Ningbo, China, von einem weltweit steigenden Bedarf an Bioverpackungen berichten. Bis 2013 sollen demnach nach Angaben der Marktforscher von Freedonia bereits 9000 t und damit mehr als das vierfache des aktuellen Bedarfs von den verschiedenen Industriezweigen benötigt werden. Dementsprechend soll auch die Produktion von biologisch abbaubaren Kunststoffen bis 2011 von 262.000 t im Jahr 2007 auf 1,5 Mio. t steigen, wie European Plastics berichtete. Eine Steigerung erwartet der Branchenverband laut Lunt auch für die Produktion von biobasierten Kunststoffen, die nicht biologisch abbaubar sind. Dieser Bereich soll von 360.000 t (2007) bis 2013 auf dann 2,3 Mio. t ansteigen. Er soll dabei an Bedeutung zunehmen und 2013 einen Anteil von 40 Prozent (2008: 12 Prozent) an den Biokunststoffen ausmachen.
Der Trend gehe also generell zu dieser Variante, betonte Jim Lunt, dessen Unternehmen auf die Herstellung von PHBV (poly-ß-hydroxy butyrate-co-valerate) durch Mikroorganismen als Basis für Biokunststoffe spezialisiert ist. Diese Entwicklung werde vor allem dadurch ausgelöst, dass vollständig kompostierbare Biokunststoffe noch nicht in der Lage seien sämtliche technische Anforderungen und die Wünsche des Marktes abzudecken. Daher sei es sinnvoll nachwachsende Rohstoffe wie PHBV oder PLA als einzige Quelle für die Herstellung von konventionellen Kunststoffen zu nutzen, die diesen Anforderungen noch eher gewachsen seien. Der Höhepunkt dieser Entwicklung sei aber erst langfristig, etwa in rund zehn Jahren zu erwarten. Kurzfristig seien eher vermehrt Mischungen aus Bio- und erdölbasierten Kunststoffen zu erwarten, da diese die Anforderungen kurzfristig am besten befriedigen könnten. Mittelfristig werde es zudem immer mehr Mischungen aus Biokunststoffen aus unterschiedlichen Rohstoffquellen geben, so Lunt. Das niederländische Unternehmen Peter Holland BV hat in diesem Zusammenhang bereits erste positive Erfahrungen mit einem Prototyp einer aus einer Mischung aus PLA- und PHBV-Anteilen hergestellten Dokumentenablage erzielt. Das Gemisch ermöglicht unter anderem eine verbesserte Feuchtigkeitsbarriere und ein allgemein verbessertes Temperaturverhalten. Zudem sei so ein erweitertes Anwendungsspektrum erreichbar, wobei dass Produkt im Bedarfsfall aber immer noch kompostierbar ist.
Coca-Cola setzt auf PET aus nachwachsenden Rohstoffen
Ein Unternehmen, das bereits jetzt auf die Substitution von Erdöl als Grundlage für PET durch nachwachsende Rohstoffquellen setzt, ist der Getränkehersteller Coca-Cola. „PET ist für uns nahe an der perfekten Getränkeverpackung und wir werden auch in Zukunft daran festhalten“, betonte Dr. Mike Gamble, Director Innovations Design + Development + Commercialisation, Europa, zwar ausdrücklich in Brüssel. Aber die Quelle des Kunststoffs soll in Zukunft nach Wunsch des Getränkeriesen vermehrt PLA sein. So wurde bereits Ende 2009 die „PlantBottle“ PET eingeführt. Die Getränkeflasche verhält sich chemisch und physikalisch wie konventionelles PET, besteht aber zu 30 Prozent aus der erneuerbaren Quelle PLA.
Die Einführung sei eine Antwort auf den bei den Konsumenten vermehrt aufkommenden Wunsch nach hoher Nachhaltigkeit. Alle anderen Bemühungen wie die Reduzierung des Packungsgewichtes oder andere Entwicklungen seien an die Grenze des technisch machbaren gelangt, sodass nun die Thematik erneuerbarer Rohstoffe verstärkt im Fokus stehe. Zumal erste Erfolge auf diesen Gebiet bereits verzeichnet werden konnten. Bereits Ende 2010 sollen zwei Mrd. Flaschen dieser Art produziert werden. Um den Nachhaltigkeitsgedanken noch besser gerecht werden zu können, ist es langfristig erklärtes Ziel die erdölbasierten Anteile vollständig zu substituieren. „Das große Problem ist aber bislang noch die technische Umsetzbarkeit“, so Dr. Gamble. Das sollte aber langfristig kein unüberwindbares Hindernis sein.
Auch bei dem Nahrungsmittelhersteller Nestlé stoßen Bioverpackungen durchaus auf Interesse. Allerdings nur als ein Bestandteil eines Mix aus verschiedenen Verpackungsarten, wie Philippe Roulet, Head of Global Packaging Materials & Training, erklärte. Entscheidend sei immer die einzelne Anwendung. Dabei gebe es sicher auch eine für die Bioverpackungen am besten geeignet sind, aber eben auch andere für die diese Variante nicht in Frage komme: „Es gibt für alles die optimale Verpackung, aber die ist eben sicher nicht immer aus Biokunststoffen aufgebaut.“
Auch DuPont setzt auf Biokunststoffe
Zu den Anwendern gehört auch der Hersteller DuPont. Wie Alfonso Sanz, EMEA Regional Produktmanager, Performance Materials des Unternehmens, erläuterte, sind bereits mehrere Produktreihen aus nachwachsenden Rohstoffen entwickelt worden. Dazu gehören die Sorona und die Zytel-Serie, die beide einen Mehrwert gegenüber konventionellen Kunststoffen aufweisen sollen. Das Unternehmen engagiert sich aktuell aber eher im Automobil- und Bekleidungssektor und weniger im Verpackungsmarkt.
Einem anderen Bereich, dem der Lebensmittelverpackungen, gelten die Forschungen von Nextek Limited, wie Managing director Professor Edward Kosior in seinem Vortrag deutlich machte. Das Unternehmen beendete kürzlich zusammen mit Partnern wie unter anderem der Supermarktkette Saintsbury eine Studie zur Herstellung leichtgewichtiger Verpackungen aus natürlichen Ressourcen. Wie der Vergleich verschiedener Quellen zeigte, sind vor allem PHBV-basierte Anwendungen mittelfristig dafür sehr gut geeignet und in der Lage sind erdölbasierte Verpackungen zu substituieren. Kosior sah auch bei anderen natürlichen Quellen einiges Potenzial. So seien PLA und Stärke in Nischenmärkten längst etabliert und sicherlich ausbaufähig.
Rahmenprobleme erschweren den Aufstieg von Biokunststoffen
Letzteres scheint aber noch Zukunftsmusik zu sein. Trotz dieser guten Zukunftsaussichten bilden Biokunststoffe aktuell mit rund 1 Prozent nur einen sehr geringen Anteil am gesamten Kunststoffmarkt. Wie daran etwas geändert werden könnte, diese Fragestellung stand daher als zweiter Fixpunkt auf dem Brüsseler Tagungsprogramm. Als „Bremser“ erweisen sich noch vergleichsweise höhere Kosten, die vor allem vor dem Hintergrund der noch nicht überwundenen Finanzkrise eine bedeutende Rolle einnehmen, ebenso wie eine teilweise noch schlechtere Performance der vorhandenen Produkte gegenüber erdölbasierten Varianten.
Andere Herausforderungen umfassen die noch relativ lange Zeit von Produktentwicklungen bis zur Marktreife und die Notwendigkeit einer hohen Kapitalausstattung, um den Roll-out der Produkte finanzieren zu können. So dauert es im Schnitt zwischen 6 und 13 Jahren bis ein potentielles Produkt Marktreife erreicht, wie Investmentmanager Alex Hook in seinem Vortrag erläuterte. Die Kosten bezifferte er mit 15 bis 40 Mio. Euro. Ein wichtiger Punkt ist auch die noch ungelöste Frage der Entsorgung.
Der Mitarbeiter von Nesta, einem britischen Venture Capital-Unternehmen, das in den letzten zehn Jahren bereits 50 Unternehmen mit Biopolymer-Projekten unterstützt hat, sieht demgegenüber aber auch einige Vorteile, die den Aufstieg der Biokunststoffe durchaus beschleunigen könnten. So besitzen sie mittelfristig ausgezeichnete Marktperspektiven, da sie nicht von Erdöl abhängig sind. Das vorhandene Marktpotenzial ist zudem einerseits durchaus als bedeutend zu bezeichnen und andererseits auch mit der vorhandenen Infrastruktur einfach zu nutzen. Als innovative und „grüne“ Technologie besteht auch ein verstärktes Interesse von potentiellen Kunden. Dabei ist es besonders hilfreich, dass die notwendigen Regulierungen und Zertifizierungen bereits auf dem Weg gebracht wurden und so die Nutzung deutlich vereinfacht wird. Der Markt muss generell über den Preis und verbesserte Produkte wachsen, fasste Hook zusammen.
Ein anderes Problem stellte Gaelle Janssens, Fost Plus, in ihren Vortrag in den Blickpunkt. Die Vertreterin des belgischen Teils des europäischen Systems „Grüner Punkt“ monierte das konfuse System „Bioverpackungen“, das für Unklarheit unter den Konsumenten sorgt. Für viele Bürger steht der Begriff für „Verpackungen, die gut für die Umwelt sind“. Die genaue Definition sei nur relativ gering bekannt. Da gebe es sicherlich Nachholbedarf. Sie empfahl zudem bei der Auswahl der passenden Verpackung eines Produktes eine andere Vorgehensweise. Zuerst müsse die optimale Verpackung für das Produkt X gefunden und dann erst diese hinsichtlich der Umweltaspekte optimiert werden.
Man darf gespannt sein, ob die verschiedenen Ansätze der Unternehmen und Institutionen mittelfristig den Marktanteil der Bioverpackungen steigern können. Eins haben die zwei Tage in der belgischen Hauptstadt deutlich gezeigt: Die Technologie hat das notwendige Potenzial, um aus der (Verpackungs-)Nische heraus zuwachsen.