Gedanken zur interpack 2011
Der permanente Ausnahmezustand
Quelle: Rene Tillmann / Messe Duesseldorf
Menschen sehnen sich in ihrem tiefsten Inneren nach Sicherheit und möchten sich geborgen fühlen. Bei Verlust der Kontrolle stellt sich bei den meisten Unwohlsein ein und daher strebt die Mehrheit nach überschaubaren und gewohnten Lebensumständen. Völlig Gegensätzliches gilt augenscheinlich, sobald der Mensch als Konsument behandelt wird: Neues! Abenteuerliches! Fremdes! Verführerisches! Marken versprechen den Zielgruppen in endloser Folge Geschichten von den Verlockungen des Unbekannten, des Neuen. In der Welt der Werbung ist es der permanente Ausnahmezustand, den es zu leben gilt: Ein Tag, ja gar eine Konsumsituation ohne den ultimativen Kick ist ein verlorener Tag, nicht gelebtes Leben.
Die Marketing-Strategie, wonach eine Marke nur sehr sorgsam und möglichst unauffällig relauncht und weiterentwickelt werden solle, damit der Wiedererkennungswert nicht beschädigt wird, geht in der Umsetzung permanent auf dünnem Eis. Und nicht viele Produkte vertragen pausenlose, atemberaubende Veränderungen.
Quelle: Rene Tillmann / Messe Duesseldorf
Da Verpackungen inzwischen die primäre Identifikationsgröße für Marken darstellen, sie am P.O.S. die entscheidenden Kaufimpulse auslösen können und ihren Inhalt stellvertretend in puncto Qualität, Leistung und Image repräsentieren, kommt ihnen eine noch nie da gewesene Bedeutung zu. Und doch sieht sich die gesamte Verpackungsbranche auch im Jahr 2011 zwei Herausforderungen gegenüber, die zunächst anderes vermuten lassen: Kosteneffizienz und Materialoptimierung. Jeder Verpackungsverwender strebt nach niedrigstmöglichen Kosten für die Verpackungseinheit und verlangt zugleich ein Leistungsspektrum von noch nie dagewesenem Umfang:
Nachhaltig muss sie sein, biologisch abbaubar oder aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen und in höchstem Maß Schutz und Sicherheit bieten für den Inhalt, logistisch vorteilhaft, dabei leicht zu handhaben (Convenience) und letztlich der perfekte Verkäufer des Füllgutes, ganz gleich welcher Art - und das idealer Weise zu minimalen Preisen. Alle diese Forderungen stellt die verpackungsverwendende Wirtschaft im Namen des Verbrauchers auf - Umweltschutz geht ja bekanntlich alle an, aber nur wenige können den notwendigen Druck ausüben, damit dieses Ziel immer wieder erreicht wird.
Während der sieben interpack-Tage in Düsseldorf jedenfalls, das lassen alle vorab bekannt gewordenen Berichte von Ausstellern in der Summe erkennen, geht es der Verpackungsbranche darum, das umfangreiche Lastenpaket, das ihr gestellt wird, intelligent zu schnüren. Es gibt auch neue Antworten, oft in Details, die König Kunde, also der Konsument, nicht immer nachvollziehen kann und will. Weil aber Kaufentscheidungen am P.O.S. der ultimative Gradmesser für den Erfolg auch der Verpackungsindustrie sind, dauert es sicherlich nicht lange, bis die Innovationen der interpack 2011 auf eben diesen Prüfstand kommen.
Quelle: Rene Tillmann / Messe Duesseldorf
Gut, akzeptieren wir, dass eine gewisse Ambivalenz dem Menschen zuzugestehen ist. Das viel bemühte Bild des Sportwagen fahrenden Discounter-Kunden - geschenkt. Da die Angebotsvielfalt nie so groß wie heute war, hat der Konsument entweder die Qual der Wahl oder idealer Weise die Möglichkeit, seine Prioritäten auch durch seine Kaufentscheidungen auszudrücken.
Kritisch wird es in diesem Umfeld, wenn sich das Unterbewusstsein beim Konsumenten Bahn bricht und der Mensch tatsächlich die gewollte Sicherheit, zum Beispiel von Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs, in Zweifel zieht, seine Gesundheit womöglich gefährdet wird - und die Verpackung als Risiko identifiziert wird.
Die Messe wird gewiss auch Beiträge liefern zur Herausforderung unbedenklicher, sicherer Lebensmittelverpackungen. Denn darin liegt die Stärke der Verpackungsindustrie heute: Nachdem die Grabenkämpfe unter den verschiedenen, konkurrierenden Packmitteln der Vergangenheit angehören, haben Verpackungshersteller und -verarbeiter eine nie dagewesene Freiheit, das Beste aus diversen Welten zu kombinieren - in Form von Materialien, in der Herstellung und Verbindung von Packstoffen wie auch in der maschinellen Ausstattung, die immer mehr Flexibilität zulässt.
Quelle: Rene Tillmann / Messe Duesseldorf
Nachdem die wirtschaftlichen "Krisenjahre" zwischen den beiden Messen der Jahre 2008 und 2011 lagen, erleben wir derzeit eine blühende und weitestgehend gestärkte Verpackungsindustrie, die über eines nicht klagen kann: über die Auslastung ihrer Kapazitäten. Dafür ist die Preisentwicklung der Rohstoffe generell und dazu global eine Herausforderung, die das normale Maß verlassen hat.
Parallel dazu entwickeln die sogenannten Social Media eine Dynamik, die selbst Medienexperten kaum richtig zu deuten wissen: Wie wird da erst das Zusammenspiel von Verpackungsgestaltung (technisch wie auch optisch) und Informationsangebot via Twitter und Co. werden? Der wenig ansehnliche Barcode (Strichode) vergangener Zeiten wird abgelöst von nicht minder graphisch gewöhnungsbedürftigen Codierungen, die mittels Smartphone den Zugang zu unendlichen Welten der Reizüberflutung öffnen - was ist der Nutzen? Wer wird hier eine Erfolgsstrategie finden? Wie wird die Rolle der Verpackung dann definiert?
Auch diese Antworten will man auf der interpack gern erhalten.
(st)