Flexible Elektronik eröffnet neue Perspektiven für funktionale Verpackungen
Smarte Hülle
Quelle: Fraunhofer EMFT / Bernd Müller
Parfümschachteln, die bei Berührung verführerisch zu leuchten beginnen, Medikamenten-Verpackungen, die Auskunft über ihren Inhalt geben – die Idee, Elektronik in Verpackungen zu integrieren, fasziniert Produktmanager und Marketingexperten schon länger.
US-Marktstudien bescheinigen dem so genannten „Smart Packaging“ ein riesiges Wachstumspotenzial – denn das Verbraucherverhalten verändert sich und damit steigen auch die Anforderungen an die „äußeren Werte“ eines Produkts.
Welche Einsatzmöglichkeiten Smart Packaging bietet und wie es sich auch kurzfristig für massentaugliche Verpackungslösungen nutzen lässt, war im vergangenen Oktober auch Thema des Workshops „Smart Packaging – Printed Electronics als massentaugliche Lösung für verändertes Shopperverhalten?“ an der Fraunhofer Einrichtung für Modulare Festkörpertechnologien EMFT in München. www.verpacken-aktuell.de berichtete darüber am 25.11.2013. Hier sollen nun die am Fraunhofer EMFT erarbeiteten Kenntnisse und wesentliche Inhalte des Vortrags von Prof. Dr. Karlheinz Bock (Hauptabteilungsleiter Flexible Systeme) wiedergegeben werden.
Quelle: Fraunhofer EMFT / Bernd Müller
Auch wenn es einzelne Pioniere gibt, die bereits mit elektronischen Verpackungen experimentieren – von einer Revolution in der Verpackungsbranche kann noch keine Rede sein. „Das größte Hindernis, um „Smart Packaging“ am Markt zu etablieren, ist derzeit der Mangel an produktionsorientierten Lösungen“, erklärt Prof. Bock von der Fraunhofer EMFT. Vielfach sind die elektronischen Komponenten noch zu starr, zu dick und zu teuer. Um elektronische Verpackungen im großen Maßstab herzustellen, werden zudem Verfahren benötigt, mit denen sich auch hohe Stückzahlen schnell, zuverlässig und mit hoher Ausbeute produzieren lassen. Derzeit eingesetzte Fertigungsverfahren wie etwa das Einsetzen starrer gedruckter Platinen in Verpackungen werden diesen Anforderungen nicht gerecht, bzw. fehlen entsprechende Erfahrungswerte, um die geforderte Effizienz für flexible Schaltungsträger zu gewährleisten.
Prof. Bock und sein Team verfolgen einen anderen Ansatz, der auch im Bereich der intelligenten Verpackungen viel versprechende Perspektiven bietet: Im Geschäftsfeld „Flexible Systeme“ fertigen sie seit mehr als 10 Jahren ultradünne Bauelemente wie Sensoren, Solarzellen, LEDs und Displays und integrieren sie in komplette Systeme auf Folie. Auf diese Weise entstehen biegsame elektronische Komponenten und Systeme, die sich auch auf gewölbte Oberflächen einfach aufbringen lassen. „Diese Öffnung des Formfaktors erweitert den Spielraum für neue Designs – das ist gerade im Consumer-Bereich ein entscheidender Vorteil“, so Bock.
Quelle: Fraunhofer EMFT / Bernd Müller
Die spezielle, an der EMFT entwickelte Rolle-zu-Rolle-Technologie erlaubt eine produktionsorientierte und zuverlässige Herstellung großer Stückzahlen: Ähnlich wie bei einer Zeitungsdruckmaschine ist dabei ein Substrat (meist eine PET- oder Polyamid-Folie) auf einer Rolle aufgewickelt. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich eine leere Rolle. Dazwischen laufen die einzelnen Prozessschritte nacheinander ab, wobei die Folie jeweils auf die leere Rolle auf der anderen Seite der Maschine gespult wird. In einem ersten Schritt werden die Strukturen auf die Folie gedruckt. Dann werden – je nach Anwendung – verschiedene Materialien auf die Folie gesprüht oder gedruckt, etwa leitende oder isolierende Materialien, Leuchtpasten etc.. Abschließend wird eine Deckfolie auflaminiert, um z.B. Oxidierung und mechanische Schäden zu vermeiden.
Die Entwicklungsarbeiten an der Münchner Forschungsinstitution sind dabei in eine umfassende Systemkompetenz eingebettet – von der Auswahl geeigneter Materialien über die Herstellung der einzelnen Komponenten, der Integration in Foliensubstrate bis hin zu umfangreichen Funktions- und Zuverlässigkeitstests. Mit dem 2001 an der EMFT etablierten Bayerischen Demonstrationszentrum Polytronik BDP existiert darüber hinaus ein Technologie-Cluster, das mit modernstem fertigungsnahen Equipment für die Mikrofabrikation von Produktdemonstratoren auf Folien ausgestattet ist.
Quelle: Fraunhofer EMFT / Bernd Müller
An Ideen, wie sich die flexiblen Systeme im Verpackungsbereich einsetzen lassen, mangelt es nicht – das zeigte nicht zuletzt der Workshop in München: Neben Präsentationsfunktionen wie beispielsweise Lichteffekte oder integriertem Sound brachten die Teilnehmer vor allem auch die Kommunikation mit dem Verbraucher ins Spiel: Von Informationen zur Haltbarkeit eines Produkts über Angaben zur optimalen Trinktemperatur und aktueller Temperatur (etwa bei exklusiven Weinen) bis hin zu elektronischen Rabattanzeigen auf der Verpackung.
Technologisch sind solche Anwendungen heute schon umsetzbar. Um die flexible Elektronik im Verpackungsbereich zu etablieren, haben Bock und sein Team fürs erste vor allem Luxusprodukte wie etwa Uhren, Schmuck oder Parfums im Blick, wo der Kostenspielraum für hochwertige Verpackungslösungen größer ist. Gleichzeitig arbeiten die Forscher an optimierten Fertigungsmaschinen, um die Herstellung so effizient zu machen, dass sich auch der Massenmarkt bedienen lässt. „Unsere Kalkulationen zeigen, dass sich die Kosten bei entsprechend hohen Produktionszahlen im Cent-Bereich bewegen werden“, so Prof. Bock.
Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie STWIVT hat im Dezember vergangenen Jahres einen neuen Förderrahmen für das Technologiecluster BDP beschlossen. In der rund zweijährigen Laufzeit soll es schwerpunktmäßig um die Herstellung von zuverlässigen Foliensystemen und die Vorbereitung des Technologietransfers von anwendungstauglichen Folienprozessen in den Markt gehen. Neue Kooperationspartner sind willkommen.
(st)