Möglichmacher für Flugmangos
Wellpappenindustrie verzeichnet guten Absatz
Dr. Steffen P. Würth Vorsitzender des Verbandes der Wellpappen-Industrie e.V.
Quelle: VDW
Anlässlich der Jahrespressekonferenz des VDW (Verband der Wellpappen-Industrie e.V.) Ende März konnte der Vorsitzende Dr. Steffen P. Würth positive Zahlen über die Entwicklung der Branche präsentieren. Die Absatzentwicklung der im Verband organisierten Unternehmen stieg auf knapp 7,6 Mrd. Quadratmeter (ohne arbeitstägliche Bereinigung), das waren 1,5 % mehr als 2015.
Nach Einschätzung der Branchenvertreter ist dies unter anderem der guten allgemeinen Wirtschaftsentwicklung zuzuschreiben. Heimischer Konsum wie auch der robuste Export haben zum Wachstum der Wellpappenindustrie in Deutschland beigetragen. Auf Anwenderseite waren es vor allem die Lebensmittelindustrie (und hier maßgeblich die Verpackung von Obst und Gemüse), die Automobilzuliefer- und die Bauindustrie und ihre Zulieferbetriebe sowie der Versandhandel, die den steigenden Einsatz von Wellpappe tragen.
„Wenn Waren unterwegs sind, dann kommt in den allermeisten Fällen Wellpappe als verlässlich schützender Reisebegleiter zum Einsatz. Frische, leicht verderbliche Lebensmittel aus fernen Erzeugerländern machen einen bedeutenden Teil des Cargo-Geschäfts aus. Häufig ist es qualitativ besonders hochwertige Ware. Ein Beispiel sind die so genannten Flugmangos. Das sind aromatische, reife Mangos, die wir schon wenige Tage nach der Ernte in tropischen Erzeugerländern in der Obstauslage unseres Supermarkts finden. Das geht natürlich nur per Luftfracht. Wellpappenverpackungen sorgen dafür, dass die empfindlichen Früchte wohlbehalten bei uns ankommen – unbeschädigt, ohne Druckstellen und hygienisch einwandfrei,“ so Dr. Würth.
In einem eigens für den Umschlag dieser leicht verderblichen Produkte bestimmten Bereich, dem Perishable Center am Frankfurter Flughafen, wird das sichtbar. Hier werden jährlich ca. 120.000 Tonnen leicht verderblicher Lebensmittel, aber auch Pflanzen, Blumen oder Pharmazeutika und Fleisch, Fisch und Krustentiere für Kunden in aller Welt umgeschlagen. Ein sehr großer Teil dieser Waren sind in Wellpappe verpackt. Wie auch die genannten „Flugmangos“: Sie stammen zum Beispiel aus Peru und werden in Steigen aus Wellpappe in die ganze Welt exportiert.
Entwicklung in Deutschland
Maßgeblich für den Absatz der Erzeugnisse der deutschen Wellpappenindustrie ist nach Aussage von Dr. Würth die Situation der verpackenden Industrie und die Neigung der Verbraucher zum Geldausgeben. Beides hat sich im Vorjahr günstig entwickelt. Mit 1,9 % ist das Bruttoinlandsprodukt 2016 stärker gewachsen als erwartet. Eckpfeiler dieses Zuwachses war wie schon in den Vorjahren eine robuste Exportwirtschaft mit plus 2,5 %, die um zwei Prozent weiter gestiegenen privaten Konsumausgaben sowie die staatlichen Konsumausgaben, die mit plus 4,2 % sogar noch deutlich stärker zulegten.
„Ganz gleich, ob Hightech für Shanghai oder Spreewaldgurken für den REWE-Markt um die Ecke – Wellpappe ist als logistischer Möglichmacher, als Transportschutz oder Verkaufshilfe im Handel mit dabei. Der Wellpappenabsatz 2016 konnte daher auch von der guten allgemeinen Wirtschaftsentwicklung profitieren,“ erklärte der Verbandsvorsitzende.
Arbeitstäglich bereinigt haben die VDW-Mitglieder einen Zuwachs beim Wellpappenabsatz in Höhe von 1,5 % erzielt. Zum Vergleich: Das kalenderbereinigte Wachstum des BIP liegt bei 1,8 %. In absoluten Zahlen – also ohne arbeitstägliche Bereinigung – haben die VDW-Mitglieder 2016 knapp 7,6 Mrd. Quadratmeter Wellpappe abgesetzt. Das waren 113 Mio. Quadratmeter und damit 1,5 % mehr als im Vorjahr. Die einzelnen Quartale weisen erhebliche Schwankungen auf, die teilweise auf die unterschiedliche Anzahl von Arbeitstagen zurückzuführen ist. So hatte das 4. Quartal 2016 zwei Arbeitstage weniger als in 2015.
Prognose 2017
Mit Blick auf das laufende Jahr formuliert Dr. Würth die Erwartungen wie folgt: „Wir sind angesichts der bekannten internationalen Unwägbarkeiten etwas vorsichtiger bei der Prognose für das Jahr 2017. Es besteht das Risiko, dass dem aktuellen Aufschwung die Luft ausgeht – insbesondere, falls die jüngeren protektionistischen Bestrebungen dies- und jenseits des Atlantiks ihre ungute Wirkung entfalten sollten. Wir rechnen vor diesem Hintergrund mit einem Anstieg des Absatzes um 1,2 % pro Arbeitstag.
Der mengenmäßig positiven Entwicklung bei den Absatzzahlen stehe eine weniger erfreuliche Entwicklung der Wellpappenerlöse gegenüber. Die Durchschnittserlöse sanken im Jahresverlauf von 52,9 Cent im Januar um 1,4 Cent auf 51,5 Cent pro Quadratmeter im Dezember. Der im Dezember gemessene Wert ist der niedrigste seit Dezember 2010. Das verdeutlicht den anhaltenden Preisdruck, der auf den Erlösen lastet. In 2016 lagen die Preise für Wellpappenerzeugnisse im Durchschnitt mit 52,5 Cent pro Quadratmeter um 0,5 % niedriger als 2015, so der VDW.
Dementsprechend gestaltet sich dann auch die Umsatzentwicklung. Gegenüber der Wachstumsrate bei den Quadratmetern von 1,5 % kommen die VDW-Mitglieder beim Umsatz nur auf ein Plus von 1,0 %. Damit bleibt das Umsatzwachstum in 2016 um 0,5 Prozentpunkte hinter der Steigerungsrate des Wellpappenabsatzes in Quadratmetern zurück.
Die Rohstoffkosten machen in der Wellpappenindustrie rund die Hälfte der Gesamtkosten aus. Bei dem mit Abstand wichtigsten Rohstoff, dem Wellpappenrohpapier, hat sich der durchschnittliche Einkaufspreis gegenüber 2015 um 3,8 % nach unten bewegt.
Doch der Kostendruck macht sich bemerkbar:
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Die Altpapierpreise steigen seit 2016 deutlich. So ist der Preis für gemischte Ballen im Januar 2017 um 46,1 % höher als im Vorjahresmonat. Global betrachtet haben die Altpapierpreise im März beispielsweise in den USA sogar „all time high" Werte erreicht. In der Folge steigen seit Februar 2017 die Preise für Recycling-Rohpapiere, die sich bis Mitte März 2017 auf bis zu 60 €/t summiert haben – das entspricht zum Beispiel für Wellenstoffpapiere einer Steigerung um rund 13 %. Weitere Preiserhöhungen für Rohpapiere sind bereits angekündigt, die den Kostendruck noch weiter verschärfen werden.
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Das Angebot für Kraftlinerpapiere ist derzeit sehr knapp. Die Nachfrage nach diesen hochwertigen Papieren ist dagegen weltweit sehr stark, was für die VDW-Mitglieder bereits zu Preissteigerungen von bis zu 60 €/t geführt hat. Zum Mai seien weitere Preisanhebungen der Hersteller angekündigt.
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Bei den Personalkosten, dem mit knapp 23 % zweitgrößten Kostenblock, wurden Lohnerhöhungen von 2,1 % zum 1.1.2017 und weitere 2,1 % zum 1.4.2018 zwischen dem HPV und ver.di vereinbart. Im Jahr 2016 waren insgesamt 16.423 Personen in der Branche beschäftigt, also rund 120 mehr als in 2015. Die Anzahl der Auszubildenden blieb mit einem Anteil von 5,2 % konstant.
Die aktuelle Kostenbelastung für die Unternehmen bewertet der Verband als sehr hoch, das drückt stark auf die Ertragslage der Wellpappenhersteller.
Mehr Recycling! Das ist eine Forderung, die angesichts des ungestillten Ressourcenverbrauchs und der damit verbundenen Klimaveränderung immer lauter wird. „Wir glauben, dass wir mit unserer Expertise wertvolle Impulse für nachhaltige Lösungen geben können. Für unsere Produkte besteht ein geschlossener Recycling-Kreislauf auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Dieses Modell hat Zukunft. Und wir wollen weiterhin gemeinsam mit unseren schweizerischen und österreichischen Partnerverbänden unter dem Dach des Forums Ökologisch Verpacken (FÖV) über die Vorteile des Wellpappen-Stoffkreislaufs aufklären. Erkenntnisse, die wir aus Gesprächen mit Umweltorganisationen und Handelsunternehmen gewonnen haben, fließen in die weitere Arbeit des FÖV ein. Erstmals werden wir in diesem Jahr mit einer Informations- und Diskussionsveranstaltung auf der Anuga (Oktober 2017) vertreten sein. Außerdem werden wir uns in bilateralen Gesprächen mit Handelsunternehmen weiter für das Kreislaufprinzip stark machen“, so Dr. Würth.
Forschungsprojekte für die „digitale Box“
Über die künftige Rolle der Wellpappe bei der zunehmenden Vernetzung wirtschaftlicher Prozesse – Stichwort Industrie 4.0 – lässt der VDW derzeit gezielt forschen. Voraussichtlich zur Jahresmitte wisse die Organisation mehr darüber, was die „digitale Box“ der Zukunft leistet. Dabei gehe es zum Beispiel um „selbstsprechende Verpackungen“ für Logistikabläufe und die Produktverfolgung oder kommunizierende Displays, die eine Art laufender Inventur durchführen können. „Wie unsere Produkte in der Lieferkette des Handels dazu beitragen können, Prozesse einfacher, schneller und kostengünstiger zu gestalten, beschäftigt uns in einem weiteren Projekt, das wir gerade auf den Weg bringen. Erkenntnisse aus den Kooperationen mit dem Fraunhofer Institut IML und GS1 Germany werden in unsere aktuelle Kommunikation einfließen,“ so Dr. Würth abschließend.
Tabelle: Mengen-Entwicklung der Wellpappenerzeugung in den vier Quartalen 2015/2016
|class:table | |in 1.000 m2| 2016 | 2015 | |---------------|-------------|--------|-------| |1. Quartal 2016| 1.879.466 | 0,7 % | 0,5 % | |2. Quartal 2016| 1.904.522 | 4,4 % | 2,3 % | |3. Quartal 2016| 1.920.693 | 1,1 % | 2,8 % | |4. Quartal 2016| 1.886.424 | -0,1 % | 5,4 % | | 2016 gesamt | 7.591.105 | 1,5 % | 2,7 % |
(st)