Deutsche Faltschachtel-Industrie setzt auf Innovations- und Digitalisierungsstrategien
Marktentwicklung und Prognosen der Faltschachtelindustrie
Die langfristige Entwicklung des Produktionsvolumens sowie dessen Wert.
Quelle: FFI
Anfang September stellte die FFI auf ihrer jährlichen Pressekonferenz die Situation und die Aussichten der Faltschachtelbranche vor.
Mit einem Produktionsvolumen in Höhe von 842.313 Tonnen ging der Absatz der deutschen Faltschachtel-Industrie im Geschäftsjahr 2016 um 1,9 % gegenüber dem Vorjahr zurück. Der Umsatz sank im gleichen Zeitraum um 2,3 % auf 1,822 Milliarden Euro. Damit setzt sich die Entwicklung der vergangenen Jahre fort.
Zwischen 2013 und 2016 reduzierte sich das Produktionsvolumen um 1 %, was einer Seitwärtsbewegung entspricht. Gleichzeitig sank dabei der Produktionswert aber um 3 %. Volumenrückgang, zunehmender Wettbewerb unter nationalen und europäischen Herstellern sowie Margendruck sprechen deutlich für ein schwieriger werdendes Umfeld. Dies zeigt sich insbesondere im Rückgang der Profitabilität. So fiel der Umsatzerlös der deutschen Faltschachtel-Industrie von 2.172 Euro pro produzierter Tonne im Jahr 2015 auf 2.162 Euro pro Tonne im Jahr 2016.
Vor allem die vermehrten Produktionsverlagerungen nach Osteuropa bei Pharma-, Food- und Non-Food-Produkten sowie die Substitution durch Kunststoffverpackungen im Niedrigpreissegment setzen den deutschen Faltschachtelunternehmen zu.
„Die weitere Automatisierung, Optimierung und Digitalisierung der gesamten Geschäftsprozesse wird deshalb ein Schlüssel zum Erhalt und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit sein“ sagt Steffen Schnizer, Sprecher des Vorstands des Fachverbands Faltschachtel-Industrie e.V. (FFI).
Im europäischen Vergleich steht die deutsche Faltschachtel-Industrie für rund ein Fünftel des europäischen Produktionsvolumens. Damit ist sie etwa doppelt so groß wie Großbritannien, Frankreich oder Italien.
Branchenkonsolidierung
Die gegenwärtig erfolgende Branchenkonsolidierung wird auf absehbare Zeit mit leichten Schwankungen weiter voranschreiten. Beim FFI stehen dem Austritt eines Vollmitglieds sowie 2 assoziierter Mitglieder in 2016 sieben Neuaufnahmen von assoziierten Mitgliedern gegenüber. Damit repräsentiert der Verband in 2016 etwa zwei Drittel des deutschen Faltschachtelmarktes. Bei einem Rückgang der produzierten Tonnage um 3,2 % verloren die FFI Mitgliedsunternehmen etwa 2,2 % des entsprechenden Produktionswertes in 2016.
Sieben Zukunfts-Szenarien
Die „Landkarte der Zukunft“ zeigt die möglichen Szenarien im Spannungsfeld von Gegenwart, Erwartung und Wunsch.
Quelle: FFI
In einem strukturierten, sechsmonatigen Workshop-Prozess haben die Mitglieder des Fachverband Faltschachtel-Industrie e.V. (FFI) unter Moderation der Scenario Management International AG (ScMI AG) insgesamt sieben verschiedene Szenarien für die Zukunft der Faltschachtelindustrie bis zum Jahr 2027 formuliert.
Anlass für die Initiierung und Durchführung des Szenarioprozesses waren aktuelle Diskussionen in den Gremien des FFI um Phänomene und Faktoren wie Digitalisierung und Industrie 4.0, stationärer Handel und E-Commerce, Globalisierung der Beschaffungsprozesse sowie Europäisierung der Produktions- und Absatzprozesse in der Supply Chain.
„In einem sehr dynamischen Branchenumfeld sehen wir es als Mehrwert unseres Verbandes an, unseren FFI Mitgliedsunternehmen Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen die Unternehmensverantwortlichen wichtige Strategieprozesse im Unternehmen durchführen zu können“, erläuterte Steffen Schnizer. „In unseren Szenarioworkshops konnten wir unterschiedliche Schlüsselfaktoren und Szenarien herausarbeiten, die wichtige Grundlagen für Strategiediskussionen in unseren Mitgliedsunternehmen sein können.“
Die entwickelten sieben Szenarien für die Zukunft der Faltschachtelindustrie lassen sich wie folgt beschreiben:
1. Die intelligente Faltschachtel-Industrie im Innovationsumfeld Industrie 4.0
Die durchgängige Digitalisierung sowohl im Produktions- als auch im Marktumfeld und innerhalb der Lieferketten führt die Faltschachtel auf die nächste Entwicklungsstufe. In einer zunehmend globalisierten Wirtschaft dominieren dabei höchst innovationspotente und wettbewerbsstarke Faltschachtelhersteller die Branche.
2. Die innovative Faltschachtel-Industrie im internationalen Umfeld
Die hohen Anforderungen der globalen Konsumenten verstärken die Innovationsnotwendigkeiten und -bestrebungen rund um die Faltschachtel. Vor allem internationale, integrierte Generalisten mit hoher Investitionsbereitschaft in Produktinnovationen machen hier das Geschäft unter den Verpackungsherstellern.
3. Die getriebene Faltschachtel-Industrie im regionalen Umfeld
Alternative Verpackungsprodukte und Packmittel erhöhen den Druck auf die Faltschachtel. Zugleich verlieren Globalisierung und Digitalisierung an Bedeutung. Den regional operierenden, kleinen und flexiblen Systemanbietern in der Branche gelingt der Spagat zwischen Innovation und Qualität.
4. Digitalisierter Konsum on demand macht die Faltschachtel-Industrie überflüssig
Der Handel von Produkten wird durch adaptive, Endverbraucher nahe Produktionsverfahren wie 3D-Druck ausgebremst und macht Umverpackungen in weiten Teilen überflüssig. In den wenigen Nischen suchen die verbliebenen Akteure beispielsweise durch Prozessberatung und individualisierte Kleinserienproduktion von Verpackungen den Erfolg.
5. Die regionale Standard-/Basis-Faltschachtel-Industrie
Aufgrund politischer Instabilität erfahren die internationale Zusammenarbeit und die Globalisierung zahlreiche Rückschläge und befördern die Regionalisierung der Faltschachtelbranche. Die Dominanz des Online-Handels reduziert die Marketingfunktionen von Verpackungen und lässt die Faltschachtel zum reinen Commodity-Produkt werden.
6. Die spezialisierte Faltschachtel-Industrie
Digitale Effizienz und Internationalisierung führen zur Konsolidierung der Branche. In automatisierten und digitalen Produktionsprozessen entstehen Standard-Faltschachteln für einen Markt, in dem die Verpackung nur mehr Mittel zum Zweck ist.
7. Die nachhaltige Faltschachtel-Industrie
Der gewissenhafte Endverbraucher sucht intelligente und funktionale Lösungen. Getrieben durch die stetig steigende Digitalisierung und die Dienstleistungserwartungen der Kunden reagiert die Faltschachtel-Branche mit innovativen und hocheffizienten Produkten.
Die Bewertung der Zukunft
Für Szenarien, die auf extremen Zukunftsprojektionen beruhen, lassen sich, so der FFI, sinnvoll keine Wahrscheinlichkeiten bestimmen. Da aber eine Bewertung der Szenarien eine wichtige Orientierungshilfe in vielen Entscheidungsprozessen und in der Strategiearbeit auf Unternehmensebene gibt, wurden die sieben Szenarien zur Zukunft der Faltschachtel-Industrie durch die Mitglieder des FFI auf der kürzlich durchgeführten Ordentlichen Mitgliederversammlung in Berlin bewertet. Die Bewertungskriterien waren in diesem Fall:
- Nähe eines Szenarios zur Gegenwart
- Nähe eines Szenarios zur erwarteten Zukunft
- Nähe eines Szenarios zur gewünschten Zukunft
Die graphisch dargestellten Bewertungsergebnisse erlauben einen ersten Einblick in die Zukunftserwartungen der Branche (Grafik: „Die Landkarte der Zukunft“).
Durch die systematische Entwicklung der alternativen Szenarien ist es möglich, unterschiedliche Entwicklungen des Markt- und Branchenumfeldes zu antizipieren. Für die Unternehmen der Branche gilt es nun, die geeigneten Implikationen und Schlüsse für ihr eigenes Unternehmen aus den Ergebnissen der Branchendiskussion zu ziehen. Diese strategische „Hausarbeit“ ist von jedem Unternehmen individuell voranzutreiben.
Der FFI - Fachverband Faltschachtel-Industrie e.V. - vertritt seit 1948 die Interessen von mehr als 60 Unternehmen mit über 80 Produktionsstandorten dieses Industriezweigs, der jährlich ca. 842.000 Tonnen Faltschachteln produziert, was einem Produktionswert von rund 1,82 Mrd. Euro entspricht. Die FFI-Mitglieder repräsentieren dabei rund zwei Drittel des Branchenumsatzes. Die Faltschachtelbranche umfasst ca. 9.500 Beschäftigte mit rund 700 Auszubildenden.
(kb)