VERPACKEN-AKTUELL

Informationen aus der Verpackungsbranche

Gastbeitrag

Aussagekraft: Ungenügend!

26. Mai 2021, von Sonja Bähr

Sonja Bähr ist als Diplom Wirtschafts-Ingenieurin bei der Unternehmensberatung TILISCO tätig und verantwortet Themen aus dem Bereich des Verpackungsmanagement.

Quelle: TILISCO

Vor­sicht bei On­li­ne­tools, die eine Be­wer­tung der Re­cy­cling­fä­hig­keit ver­spre­chen. Dies rät die auf Ver­pa­ckungs­ma­na­ge­ment spe­zia­li­sier­te Un­ter­neh­mens­be­ra­tung TI­LIS­CO GmbH und weist da­bei auf eine mög­li­cher­wei­se ge­rin­ge Aus­sa­ge­kraft und dem da­mit ver­bun­de­nen schma­len Grat zur Ver­brau­cher­täu­schung hin.

Die On­li­ne­tools an­haf­ten­de Un­si­cher­heit be­stä­tigt auch Rechts­an­walt Dr. Bo­ris Rie­mer, der ge­mein­sam mit TI­LIS­CO in jüngs­ter Zeit ei­ni­ge Nach­hal­tig­keits­aus­sa­gen hin­sicht­lich der Ir­re­füh­rung von Ver­brau­chern be­gut­ach­tet hat: „Re­cy­cling­fä­hig­keit ist ein Be­griff, der ge­setz­lich nicht nä­her be­schrie­ben ist. Eine Ver­pa­ckung muss den Vor­ga­ben des Ver­pa­ckungs­ge­set­zes ent­spre­chen, an­sons­ten wäre die Ver­pa­ckung un­zu­läs­sig. Aber was ge­nau heißt gut oder sehr gut? Die­se Wer­tung muss den Ver­brau­chern er­klärt wer­den, und zwar min­des­tens durch die An­ga­be der Be­wer­tungs­quel­le, um die not­wen­di­ge Trans­pa­renz zum Nach­voll­zie­hen der Aus­sa­ge an die Hand zu ge­ben."

Vor mitt­ler­wei­le zwei Jah­ren ist das Ge­setz über das In­ver­kehr­brin­gen, die Rück­nah­me und die hoch­wer­ti­ge Ver­wer­tung von Ver­pa­ckun­gen, kurz das Ver­pa­ckungs­ge­setz (Ver­packG), in Kraft ge­tre­ten. Es im­ple­men­tiert eine ent­schei­den­de Neue­rung für die öko­lo­gi­sche Be­trach­tung von Ver­pa­ckun­gen, näm­lich die Be­wer­tung der Re­cy­cling­fä­hig­keit. Laut Ge­setz sol­len Ver­pa­ckun­gen so her­ge­stellt und ver­trie­ben wer­den, dass das Ver­pa­ckungs­vo­lu­men und die -mas­se auf ein Min­dest­maß be­grenzt sind, so­wie die Wie­der­ver­wen­dung und Ver­wer­tung ein­schließ­lich Re­cy­cling mög­lich ist. Da­für wur­de der § 21 un­ter der Über­schrift „Öko­lo­gi­sche Ge­stal­tung der Be­tei­li­gungs­ent­gel­te“ in das Ge­setz auf­ge­nom­men. Dem­zu­fol­ge sind die Dua­len Sys­te­me ver­pflich­tet, die Be­mes­sung der Be­tei­li­gungs­ent­gel­te so mit An­rei­zen zu ver­se­hen, dass die Ver­wen­dung von Ma­te­ria­li­en, die zu ei­nem mög­lichst ho­hen Pro­zent­satz re­cy­celt wer­den kön­nen, be­son­ders ge­för­dert wird. Eine Art Bo­nus- / Ma­lus- Sys­tem.

Eine funk­tio­nie­ren­de Kreis­l­auf­wirt­schaft ist maß­geb­lich da­von ab­hän­gig, dass die Ma­te­ria­li­en ein­fach und si­cher mehr­fach für den glei­chen Ver­wen­dungs­zweck ein­ge­setzt wer­den kön­nen. Für Ver­pa­ckun­gen aus Glas, Me­tall und Pa­pier ist das heu­te schon wei­test­ge­hend mög­lich. Es sind die Kunst­stof­fe, die sich we­ni­ger gut für eine Kreis­l­auf­wirt­schaft eig­nen. Und hier vor al­lem jene, die, um eine hohe Funk­tio­na­li­tät si­cher­zu­stel­len, aus vie­len ver­schie­de­nen Kunst­stoff­sor­ten be­ste­hen und nicht ein­fach werk­stoff­lich re­cy­celt wer­den kön­nen.

Der Mindeststandard ist die Basis

Wel­che Ma­te­ria­li­en und Ver­pa­ckun­gen als be­son­ders gut re­cy­cling­fä­hig gel­ten, kann dem jähr­lich ak­tua­li­sier­ten Min­dest­stan­dard ent­nom­men wer­den. Hier­in legt die Zen­tra­le Stel­le Ver­pa­ckungs­re­gis­ter (ZSVR) ge­mein­sam mit ei­nem gut be­setz­ten Steue­rungs­kreis nicht nur fest, wel­che Kri­te­ri­en für die ge­ne­rel­le Be­mes­sung der Re­cy­cling­fä­hig­keit gel­ten, son­dern es gibt dar­über hin­aus auch kon­kre­te Ge­bo­te und Ver­bo­te wie eine Ver­pa­ckung tech­nisch ge­stal­tet sein soll. Der Min­dest­stan­dard ist Be­stand­teil des Ver­packG und bin­dend, wenn die Re­cy­cling­fä­hig­keit als Be­mes­sungs­grund­la­ge für die Ent­sor­gungs­ge­büh­ren oder als Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Wer­be­in­stru­ment für be­son­ders nach­hal­ti­ge Ver­pa­ckun­gen ge­nutzt wird.

Mitt­ler­wei­le gibt es mehr als ein Dut­zend ver­schie­de­ne An­bie­ter von Me­tho­den, Nach­wei­sen und Zer­ti­fi­ka­ten zur Be­mes­sung der Re­cy­cling­fä­hig­keit von Ver­pa­ckun­gen. Ins­be­son­de­re die großen Dua­len Sys­te­me ha­ben die Be­wer­tung der Re­cy­cling­fä­hig­keit gleich nach In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes zu ei­nem lu­kra­ti­ven Ge­schäfts­zweig aus­ge­baut. Da­bei ha­ben sich nur we­ni­ge An­bie­ter die Mühe ge­macht, sich die Ent­wick­lung ih­rer Me­tho­dik wis­sen­schaft­lich be­glei­ten und ak­kre­di­tie­ren zu las­sen.

Begrenzte Aussagekraft

Aber es gibt auch An­bie­ter, die aus­schließ­lich oder als Ein­stieg auf ver­meint­lich ein­fa­che On­li­ne Be­wer­tungs­tools set­zen. Die al­lei­ni­ge Nut­zung sol­cher Tools ist mit Vor­sicht zu be­trach­ten, denn die re­sul­tie­ren­de Aus­sa­ge­kraft kann so be­grenzt sein, dass ver­läss­li­che, be­last­ba­re An­ga­ben nicht mög­lich sind. Denn ab­sicht­lich oder un­ab­sicht­lich nicht an­ge­ge­be­ne Wer­te ha­ben einen maß­geb­li­chen Ein­fluss auf das Er­geb­nis. Und häu­fig lie­gen den Be­nut­zern gar nicht alle re­le­van­ten In­for­ma­tio­nen vor oder sie wis­sen nicht, wie die­se zu ver­wen­den sind.

Ins­be­son­de­re Ver­pa­ckun­gen aus Kunst­stoff und spe­zi­ell Fo­li­en sind schwie­rig zu be­ur­tei­len. Kun­den­in­di­vi­du­el­le Re­zep­tu­ren, ab­ge­stimmt auf An­for­de­run­gen des Pro­duk­tes und auf vor­han­de­ne Ab­pack- und Lo­gis­tik­pro­zes­se fin­den sich im De­tail häu­fig nicht in der Spe­zi­fi­ka­ti­on wie­der. Um aber einen ex­ak­ten Wert der Re­cy­cling­fä­hig­keit be­rech­nen zu kön­nen, sind, ne­ben vie­len wei­te­ren In­for­ma­tio­nen, An­ga­ben zur Ma­te­ri­al­stär­ke, dem Flä­chen­ge­wicht, der Gram­ma­tur von Haft­ver­mitt­lern und Kleb­stof­fen, ge­nau­so es­sen­zi­ell wie An­ga­ben zur An­zahl der Druck­far­ben, de­ren Auf­trags­stär­ke oder die Ver­wen­dung von La­cken.

Selbst beim Vor­lie­gen al­ler not­wen­di­gen Spe­zi­fi­ka­ti­ons­un­ter­la­gen ist es auch für Ver­pa­ckungs­ex­per­ten nicht im­mer mög­lich, die er­for­der­li­chen An­ga­ben so ein­zu­ge­ben, dass eine ex­ak­te und be­last­ba­re Aus­sa­ge ge­trof­fen wer­den kann.

Keine einfache Rechnung

Ge­ne­rell gilt: Das Haupt­ma­te­ri­al mi­nus der Stör­stof­fe ist gleich der Wert­stoffan­teil, der dem Wert der Re­cy­cling­fä­hig­keit ent­spricht. Und da­mit zeigt sich das größ­te Man­ko in die­sem kom­ple­xen Sys­tem.

Der Min­dest­stan­dard gibt vor, dass die Be­mes­sung in ei­ner or­di­na­len oder me­tri­schen Ska­la vor­ge­nom­men wer­den kann. Da­bei muss es min­des­tens drei Ab­stu­fun­gen ge­ben Gut/ Mit­tel/ Schlecht. Das wird in der Pra­xis durch­aus un­ter­schied­lich ge­hand­habt. Ei­ni­ge An­bie­ter (z.B. die PTS Pa­pier­tech­ni­sche Stif­tung) ar­bei­ten mit ei­nem Am­pel­sys­tem rot/gelb/grün. An­de­re, wie In­ter­seroh, mit ei­nem Ge­wich­tungs- und Punk­te­sys­tem. Ma­xi­mal er­reich­bar sind 20 Punk­te. Ver­pa­ckun­gen mit klei­ner 15 Punk­ten, sind nur ein­ge­schränkt oder gar nicht re­cy­cling­fä­hig. 16 bis 18 Punk­te er­ge­ben eine gute und 19 bis 20 Punk­te eine sehr gute Re­cy­cling­fä­hig­keit. Die­ses gro­be Ras­ter, bei dem ein Punkt fünf Pro­zent ent­spricht, kann bei Be­wer­tun­gen, die an der Gren­ze zwi­schen gut und sehr gut lie­gen zu ei­ner ent­spre­chend schlech­teren Be­wer­tung füh­ren.

Dif­fe­ren­zier­ter sind Be­wer­tungs­sys­te­me, die in ei­ner me­tri­schen Ska­la mit Pro­zent­wer­ten ar­bei­ten. Das In­sti­tut Cy­clos HTP und Eu­ro­fins nut­zen die ge­naue­re Ab­stu­fung und kön­nen ge­mäß der Be­rech­nungs­vor­ga­be „Ge­samt­ma­te­ri­al mi­nus Stör­stof­fe ist gleich der Wert­stoffan­teil“, Wer­te wie bspw. eine 89 oder 97%ige Re­cy­cling­fä­hig­keit aus­wei­sen. Im ers­ten Fall kann mit ei­ner gu­ten, im zwei­ten Fall mit ei­ner sehr gu­ten Re­cy­cling­fä­hig­keit ge­wor­ben wer­den.

Das Risiko der Fehleinschätzung bleibt

Eine ver­gleich­bar ge­naue Dif­fe­ren­zie­rung mit ei­nem On­li­ne­tool zu er­rei­chen, ist über­aus schwie­rig. Den An­wen­dern ist nicht be­kannt, ob die Al­go­rith­men ver­schie­de­ner Tools gleich­ar­tig und die An­wen­dun­gen ent­spre­chend pro­gram­miert sind – und wel­che Ab­fra­gen und Ver­knüp­fun­gen im Hin­ter­grund zu ei­ner Be­wer­tung füh­ren. Hin­zu kommt, dass den Ein­ga­ben der Nut­zer eine große Un­si­cher­heit an­haf­ten kann, so­lan­ge kei­ne Plau­si­bi­li­täts- oder Ge­gen­prü­fung er­folgt, ob wirk­lich alle An­ga­ben kor­rekt und in vol­lem Um­fang ge­tä­tigt wur­den.

Der Wert des Er­geb­nis­ses ei­nes On­li­ne­tools steht und fällt also mit der nach­voll­zieh­ba­ren Trans­pa­renz, der Rich­tig­keit und Voll­stän­dig­keit der ein­ge­speis­ten Da­ten und dem ent­spre­chen­den Sach­ver­stand, der in die Pro­gram­mie­rung des Al­go­rith­mus ge­flos­sen ist.

So­mit bleibt ein Ri­si­ko, sich mit ei­ner mög­li­cher­wei­se nicht zu­tref­fen­den Aus­sa­ge zur Nach­hal­tig­keit oder zur Re­cy­cling­fä­hig­keit dem Ver­dacht der Ver­brau­cher­täu­schung aus­zu­set­zen. Kla­gen Wett­be­wer­ber oder eine Ver­brau­cher­schutz­or­ga­ni­sa­ti­on er­folg­reich da­ge­gen, droht nicht nur ein Ver­kaufss­topp, son­dern dies kann auch die Rück­nah­me der Pro­duk­te zur Fol­ge ha­ben. Das ist fi­nan­zi­ell ein De­sas­ter, aber der Image­ver­lust der Mar­ke wiegt meist noch schwe­rer.

Bes­ser ist es, eine um­fäng­li­che Prü­fung vor­zu­neh­men, auf die­sem Wege die Güte der Re­cy­cling­fä­hig­keit zu be­stä­ti­gen und sich auch die Claims über ent­spre­chen­de Gut­ach­ten ab­zu­si­chern. Da­mit die ei­ge­nen Be­mü­hun­gen um bes­se­re und nach­hal­ti­ge Ver­pa­ckun­gen kom­mu­ni­ka­tiv auch wirk­lich bei den Ver­brau­chern an­kom­men und nicht als Fall vor Ge­richt en­den.

Son­ja Bähr ist als Di­plom Wirt­schafts-Ingenieurin bei der Un­ter­neh­mens­be­ra­tung TI­LIS­CO tä­tig und ver­ant­wor­tet The­men aus dem Be­reich des Ver­pa­ckungs­ma­na­ge­ment.

Als Un­ter­neh­mens­be­ra­tung für Ver­pa­ckungs­ma­na­ge­ment ver­folgt die TI­LIS­CO GmbH einen ganz­heit­li­chen An­satz zur Ana­ly­se und Op­ti­mie­rung von Ver­pa­ckun­gen ent­lang des ge­sam­ten Le­bens­wegs. Da­bei wer­den kom­ple­xe Fra­gen zur nach­hal­ti­gen Ver­pa­ckung, De­sign for Re­cy­cling oder der Kreis­l­auf­wirt­schaft ge­klärt. Au­ßer­dem er­stellt TI­LIS­CO in Zu­sam­men­ar­beit mit ei­nem Rechts­an­walt ent­spre­chen­de Rechts­gut­ach­ten, in de­nen die Un­ter­neh­men ihre Nach­hal­tig­keit­sclaims auf den Ver­dacht des Green­wa­shing prü­fen las­sen kön­nen.

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