„Aufklärung ist natürlich wichtig!“
Gespräch mit Stephan Karl, Geschäftsführer Tetra Pak
Stephan Karl, Geschäftsführer Tetra Pak DACH
Quelle: Tetra Pak
Tetra Pak, führender Anbieter von Lebensmittelverarbeitungs- und Verpackungslösungen, startete am 20. März seine Nachhaltigkeitskampagne „Natürlich. Karton“ in Deutschland (siehe auch unser Beitrag vom 23.3.2021).
verpacken-aktuell.de hat bei Stephan Karl, Geschäftsführer von Tetra Pak DACH nachgefragt, welche inhaltlichen Weiterentwicklungen das Unternehmen plant.
Mit Einführung des „Grünen Punkt“ Anfang der 90-er Jahre startete eine umfassende PR- und Werbekampagne, um die Bevölkerung zur Teilnahme an dem Sammelsystem zu bewegen. Mit Erfolg.
Nach dem diese Aktivitäten weitestgehend eingestellt wurden, ist das vor 30 Jahren „gelernte“ Sammeln- und Sortieren in weiten Teilen der Gesellschaft nicht mehr präsent und muss nun mühsam neu wieder aufgebaut werden.
Auch heute noch lassen viele große Kunden von Tetra Pak die Chance ungenutzt, die Verpackungen/die Verpackungsgestaltung selbst für Botschaften zum Thema Recycling und korrekter Sammlung einzusetzen.
Ist es immer noch „Gift“ für Marketingabteilungen, das Thema offensiv und progressiv über die Verpackungsgestaltung und entsprechende Informationen anzugehen?
Stephan Karl: „Das nehmen wir anders wahr. Das Thema „Nachhaltigkeit“ und vor allem die Fragen rund um Recycling spielen auch für unsere Kunden eine zentrale Rolle und dafür bleibt die Verpackung selbst eine wichtige Kommunikationsfläche. Es gibt mittlerweile viele Beispiele dafür, dass Kunden aktiv für das Sammeln und Recycling von gebrauchten Getränkekartons werben - sowohl auf der Packung als auch in den Sozialen Medien. Wir unterstützten hier auf Wunsch mit Gestaltungs- und Formulierungsvorschlägen, aber vieles findet heute direkt in den Marketingabteilungen unserer Kunden statt. Informationen zum „richtigen Recycling“ sind mittlerweile kein Hygienefaktor mehr, sondern wichtig für die Kommunikation mit den Konsumenten.“
Mit der „Recycling-Anlage Palurec in Hürth setzt Tetra Pak gemeinsam mit Elopak und SIG Combibloc neue Maßstäbe beim Recycling von Getränkekartons. Mit der nun möglichen Verwertung von Kunststoff- und Aluminiumanteilen erhöht sich die Recyclingfähigkeit auf deutlich über 90 Prozent“ – so die Ankündigungen von vor einem Jahr.
Wie stellen die Beteiligten Unternehmen/der FKN Transparenz für Interessierte sicher, welche Verpackungsmengen aus welchen Sammlungen in Hürth recycelt werden?
Stepfan Karl: „Hier lohnt ein Blick auf die Struktur des Recyclingprozesses: Recyclingströme werden jährlich von der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) ermittelt. Die derzeitige Recyclingquote von Getränkekartons per Verpackungsgesetz liegt noch bei 75 Prozent, ab nächstem Jahr dann bei 80 Prozent. Unsere Kunden müssen sich grundsätzlich bei einem der dualen Systeme lizensieren, die ihrerseits sicherstellen, dass diese Quoten für alle Verpackungsarten erfüllt werden.
Das Konzept des Connected Package (vernetzte Verpackung) von Tetra Pak ermöglicht es Lebensmittel- und Getränkeherstellern, ihre Verpackungen als Datenträger zu gestalten, die bessere Rückverfolgbarkeit bieten und allen Stakeholdern in der gesamten Wertschöpfungskette Mehrwert liefern.
Quelle: Tetra Pak
Speziell bei Getränkekartons arbeitet die Recarton GmbH, genauso wie Palurec eine Tochterfirma unseres Branchenverbands FKN, mit den Recyclern zusammen und stellt sicher, dass die als eigene Fraktion sortierten Getränkekartons in die Papierfabrik gehen. Nach dem ersten Recyclingschritt des Faserrecyclings wird das PolyAl dann wiederum an Palurec für die weitere Verarbeitung und stoffliche Verwertung überführt.
Wir, als Teil der Getränkekartonindustrie, kümmern uns um diese Wertschöpfungskette, die Dualen Systeme haben bei anderen Verpackungsarten Recycler an der Hand. Damit sind wir die einzige Industrie, die sich entschieden hat, diese Verantwortung selbst zu übernehmen.“
Wie hoch muss die Recyclingkapazität pro Jahr werden, um die angestrebten 100 % Recycling zu erreichen?
Stephan Karl: „Auf Seiten der Getränkekarton-Recycler zur stofflichen Gewinnung der Fasern in den Papiermühlen sind die Kapazitäten vorhanden. Nun ist der nächste Schritt, neben Palurec noch weitere Möglichkeiten für die stoffliche Verwertung der Nicht-Faser-Bestandteile des Getränkekartons zu schaffen.
In der gesamten Recycling-Wertschöpfungskette wird es jedoch immer Verluste geben. Eine Recyclingquote von 100 Prozent ist faktisch nicht zu erreichen, denn es werden nie alle Verpackungen in der Gelben Tonne oder im Gelben Sack entsorgt werden und damit auch nicht in die Sortieranlagen gelangen. Das betrifft jedoch nicht nur Getränkekartons, sondern sämtliche Verpackungsarten. Anders ist es bei der Recyclingfähigkeit. Da sind wir dank Palurec bereits bei über 90 Prozent.“
Entwicklungen zu „tethered caps“: Bereits 2019 hat Tetra Pak dazu eigene Initiativen angekündigt: Wie ist der Stand der Dinge bei diesem Thema heute?
Stephan Karl: „Die Umstellung auf Tethered Caps ist in der Tat eines unserer zentralen Projekte. Sie betrifft allein in Europa mehr als 1.000 Tetra Pak-Verpackungslinien in drei Jahren, die potenziell umgestellt werden müssen. Das entspricht über 20 Milliarden Verpackungen. Damit liegt die große Herausforderung beim Einsatz von Tethered Caps in den Veränderungen, die diese Umstellung entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit sich bringt. Denn wir wollen natürlich gleichzeitig die Auswirkungen auf die Betriebsabläufe unserer Kunden minimieren.
Bei der Entwicklung der Tethered Caps war uns wichtig, das Nachhaltigkeitsprofil zu verbessern und nicht einfach nur die Befestigung sicherzustellen. Wann immer möglich soll also das Gewicht reduziert und die Struktur des Verschlusses vereinfacht werden - was bei einigen Verschlüssen möglich sein wird. Zudem können nahezu alle Tethered Caps auch mit pflanzenbasiertem Kunststoff angeboten werden.“
Die gesellschaftlichen und zum Teil auch politischen Diskussionen rund um Verpackungsthemen werden in den letzten Jahren wieder kontroverser und heftiger geführt. „Plastic bashing“ provoziert die Hersteller von Kunststoffverpackungen zu teilweise auch heftigen Reaktionen gegenüber anderen Materialien.
Sollte die internationale/die EU- wie auch die deutsche Gesetzgebung nicht allmählich dazu führen, dass alle Teilnehmer am Verpackungsmarkt die Verbraucher aktiver einbinden in die Ziele kreislauforientierter Materialströme? Welche Position nimmt Tetra Pak dazu ein?
Stephan Karl: „Aufklärung ist natürlich wichtig! Und wir kommunizieren sehr breit zu diesem Thema. Die Konsumenten müssen verstehen, wo und wie sie die jeweilige Verpackung am besten entsorgen können. In unserem Fall über die Gelbe Tonne bzw. den Gelben Sack. In einigen Gemeinden besteht auch die Möglichkeit der Abgabe bei Wertstoffhöfen. Das ist der Beitrag, den jeder Einzelne in seinem Alltag leisten kann und wir können hier unterstützen, um die entsprechende Aufklärung zu gewährleisten.“
Entwicklung neuer Absatzmärkte für Tetra Pak-Kartonverbundverpackungen: Welche Produktkategorien stehen auf der Prioritätenliste in den nächsten fünf Jahren?
Stephan Karl: „Wir haben nach wie vor ein starkes Standbein in den Kategorien Milch und Säfte. Gleichzeitig sehen wir, dass sich der Wunsch vieler Verbraucher nach neuen Produkten und die Entscheidung vieler für einen veganen Lebensstil auch in den Wachstumskategorien widerspiegelt: Gewinner sind sogenannte pflanzenbasierte Getränke, wie Hafer-, Mandel- oder Soja-basierte Produkte. Sie sind seit einigen Jahren stark im Kommen. Das Gleiche gilt für stilles Wasser. Diese Trends setzen sich immer noch fort und der Markt dafür ist äußert dynamisch.“
Die klassische Zusammensetzung der Kartonverbunde aus Karton/Alu/PE: Wie weit sind die Entwicklungen gediehen, regenerative Substitute für die Barriereschichten zu verwenden?
Stephan Karl: „Unser langfristiges Ziel ist, all unsere Verpackungen komplett aus nachwachsenden oder recycelten Rohstoffen herzustellen. Wir sind Mitbegründer der Aluminium Stewardship Initiative (ASI), einer Vereinigung, die sich mit ökologischen und sozialen Fragen im Zusammenhang mit der Aluminiumbeschaffung befasst. Zudem arbeiten wir kontinuierlich an Innovationen, um den Anteil von Aluminium in unseren Verpackungen zu reduzieren (derzeit durchschnittlich vier Prozent des Verpackungsmaterials). Dazu gehört auch die Untersuchung alternativer Barriere-Materialien. Wichtig sind dabei vor allem die Lebensmittelsicherheit und Haltbarkeit sowie die Kreislauffähigkeit der Verpackung mit alternativer Barriere. Hinzu kommt unser Anspruch, dass diese ebenfalls aus pflanzenbasierten Materialien hergestellt sein kann. In 2020 kamen die ersten Verpackungen mit einer alternativen Barriere auf den japanischen Markt. Für Europa ist eine Einführung in den kommenden Jahren geplant.“
Die Fragen stellte Susanna Stock.
(st)